Suche nach Euthanasie-Opfern: Bund fördert Lüneburg mit 170.000 Euro
Der Schock war groß, als sich im Zuge von Sondierungsgrabungen auf der 1975 angelegten Kriegsgräberstätte auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg (heute Friedhof Nordwest) in diesem Jahr zeigte, dass zentrale Annahmen nicht stimmten.
Von insgesamt 84 als Kriegsgräber geführten Gräbern waren 49 Scheingräber – sie waren leer oder falsch belegt. Offenbar ist es nie zu den vorgesehenen Umbettungen der Leichnamen gekommen. Hinzu kommt: Friedhofsunterlagen, die die Errichtung der Gräberstätte dokumentieren sollten, scheinen in Teilen gefälscht worden zu sein.
Damit stellt sich eine sehr konkrete Frage: Wo sind die rund 800 bis 850 Opfer der Lüneburger „Euthanasie“-Verbrechen tatsächlich bestattet worden?
Bei den Opfern handelt es sich überwiegend um Kinder, aber auch um erkrankte Menschen aus über 23 Ländern, die zwischen 1941 und 1945 in einer „Kinderfachabteilung“ und einer sogenannten „Ausländersammelstelle“ ermordet wurden und auch noch bis 1947 gewaltsam starben.
Bis zu 170.000 Euro für die Suche nach den Gräbern
Um diese offenen Fragen systematisch zu klären, unterstützt der Bund nun die „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg mit bis zu 170.000 Euro in den kommenden Jahren. Ziel der Förderung ist es,
- die mutmaßlichen Grabfelder genauer zu untersuchen
- die Gräber der Opfer zu lokalisieren und zu markieren,
- einzelne Opfer – sofern möglich – zuzuordnen,
- und die Grundlage für eine dauerhaft gesicherte Erinnerungs- und Kriegsgräberstätte zu schaffen.
Die Leiterin der Gedenkstätte, Frau Dr. Carola Rudnick, berichtet, dass im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, die bis Ende des Jahres vorliegen wird, bereits ausreichend Hinweise zusammengetragen wurden, wo sich die Toten vermutlich befinden. Auf dieser Basis kann nun praktisch gearbeitet, teilweise vorsichtig geborgen und nach über 80 Jahren würdevoll bestattet werden.
Warum dieses Projekt wichtig ist
Aus meiner Sicht ist diese Förderung aus mehreren Gründen von großer Bedeutung:
- Recht auf eine gekennzeichnete Grabstätte
Die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen haben Anspruch auf einen benennbaren Ort des Gedenkens. Gräber müssen korrekt gekennzeichnet und dauerhaft geschützt werden – das entspricht nationalen und internationalen Vorgaben. - Unterstützung der Angehörigen
Viele Angehörige – auch im Ausland – wissen bis heute nicht genau, wo ihre Kinder, Geschwister oder Eltern bestattet wurden. Ein klar gekennzeichneter Ort kann hier endlich Klarheit schaffen. - Verantwortung vor Ort in Lüneburg
Die Verbrechen sind Teil der Geschichte unserer Region. Eine saubere Aufarbeitung und ein sichtbarer Erinnerungsort sind zentral für unsere lokale und überregionale Erinnerungskultur.
Ich bin erleichtert, dass die Förderung auf Bundesebene zustande gekommen ist, und habe dies gerne unterstützt. Wir schulden den Opfern, ihren Nachfahren und einer demokratischen Gesellschaft, die aus ihrer Geschichte Konsequenzen zieht, diese Aufarbeitung.